Der Mond scheint
durch mein Fenster und leuchtet die Tiefen meines Herzens aus.
Ich habe viele
Jahre in der Vorahnung von etwas Großartigem, das mich im Leben erwartet,
gelebt. Dieser Umstand hat mich seit frühester Kindheit in die Tagträumereien
unermesslicher Dimensionen entführt, in denen ich Geschöpfe erschuf und
Unterhaltungen führte, die weit jenseits von allem Gekanntem lagen.
Aber ich habe
nie herausgefunden, was das großartige Geschenk war, welches mein Leben mir
machen würde. In meiner Kindheit war diese Vorahnung derart intensiv, dass
keinerlei Raum für den Zweifel an ihrer Richtigkeit bestanden hat. Aber es ist
nichts geschehen, was die Vorahnung gestillt hätte.
Ich erinnere mich
an viele Glücksmomente meiner Kindheit. Ich sehne mich oft nach dem Gefühl
zurück, getragen und beschützt zu sein. Die Welt hat mir damals keine Angst
gemacht, denn für mich wurde gesorgt.
Allmählich,
plätschernd fast, ist dieses Gefühl dem, was wir Menschen Realität nennen
gewichen. In den Wogen der fortschreitenden Zeit ist die Liebe unmerklich
langsam geschrumpft und an ihre Stelle ist die Angst getreten, die, da sie ohne
konkrete Umrisse geblieben ist, ihren erstarrenden Schleier über mein Handeln gelegt
hat.
Keine konkrete
Angst, die benannt, gar beschrien werden kann, nein, es ist eine leichtfüßige
Flüsterin, die mein Leben so scheinbar vernünftig lähmt. Sie ist es, die in
entscheidenden Lebensmomenten die Unsicherheit über mein Haupt ausschüttet und mich
damit zur Untätigkeit oder Umkehr zwingt; ihre Zweifel sind oft größer als meine
Überzeugungen.
In diesen
Zweifeln hat sich meine Vorahnung wie eine Spur im Sande verlaufen; geblieben
ist die stille Rüge, sich ihr ergeben zu haben.
Ich erinnere
mich, wie ich als Kind in den Sommerferien ganz früh aufgewacht bin und, die
Hände voller Leckereien, mich auf die Aussentreppe des Hauses zu meinem treuen
Wachhund, Bimm, gesetzt habe. Er hat die Schmankerl augenblicklich verschlungen
und wir haben im Schatten unseres Heimes geschmust, während die Steppe um uns
herum durch die Glut der erstarkenden Sonne geröstet wurde.
Mein Herz war in
diesen Augenblicken so voller Zuversicht, dass alles auf der Welt in
vollkommener Harmonie ist. Damals, als ich dieses großartige Gefühl der
glückseligen Erwartung verspürt habe, habe ich gedacht, es würde irgendwann ein
bedeutendes Ereignis mein Leben ereilen, der eben dieses Gefühl erfüllen würde
wie eine Prophezeiung.
Heute, 25 Jahre
weiser, verstehe ich, dass es die Glückseligkeit selbst war, die mir unter der
brennenden Sonne der russischen Steppe zuteilwurde.
Das Glück der
Welt besteht in der frohen und liebevollen Erwartung an das Leben – kein
Ereignis ist geeignet, diese Hoffnung zu erfüllen, denn sie selbst ist eine
Glücksempfindung und damit bereits erfüllt.
Geschehnisse des
Seins sind nicht dazu gedacht, uns Frohsinn oder Trübsal zu bescheren – sie
sind die Gegebenheiten unseres Lebens. Wie alle Tatsachen können auch sie
unterschiedlich bewertet werden. Doch wie will man das Glück bewerten? Es ist
ein erhebendes Gefühl in der Brust, das Liebe und Wonne schenkt.
Mein Hochgefühl
habe ich nach und nach verloren, als ich anfing die Realitäten meines Daseins
auszuwerten und mein Herz für meinen schwindenden Glauben auszuschimpfen.
Ein leiser Ruf meines
Herzens erwacht jedoch im Mondschein, er hallt und schmerzt in meiner leer
gewordenen Brust. Das Herz will Gerechtigkeit für all die Liebe – ich soll mich
fragen, ob das Leben mir zu wenig geschenkt hat? Oder habe ich es nur falsch beurteilt?
In der Stille
der schlaflosen Nacht halte ich inne und flüstere dem Mond: „Du bist der
Einzige, der versteht“.
„Nein, ich bin der Einzige, zu dem du ehrlich bist“
antwortet er.
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